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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 01.08.2006
Aktenzeichen: 19 WF 63/06
Rechtsgebiete: ZPO, GKG KV


Vorschriften:

ZPO § 313 a
GKG KV Nr. 1311
Enthält ein als Folgesache allein den Versorgungsausgleich durchführendes Verbundurteil hinsichtlich des Scheidungsausspruchs gem. § 313 a Abs. 2 und 4 Nr. 1 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe, kommt eine - auf den Teilstreitwert der Scheidung begrenzte Gebührenermäßigung nach Nr. 1311 Nr. 2 des Kostenverzeichnisses zum GKG nicht in Betracht.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 19 WF 63/06

In der Familiensache

hat der 19. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Rinder sowie die Richter am Kammergericht Feskorn und Hartung am 1. August 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf Beschwerde des Bezirksrevisors wird unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Tempelhof/Kreuzberg vom 8. März 2006 die Kostenrechnung vom 16. August 2005 aufgehoben.

Der Kostenbeamte des Amtsgericht Tempelhof/Kreuzberg wird angewiesen, einen Kostenansatz unter Beachtung der Rechtsansicht des erkennenden Senats zu erlassen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

1. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Ehe der Parteien im Anschluß an den Termin vom 23. Juni 2005 mit Verbundurteil geschieden und zugleich die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind der Antragstellerin übertragen. Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich hat es ausgesetzt. Die Parteien haben sodann auf Rechtsmittel sowie auf die Darstellung von Tatbestand und Entscheidungsgründen im schriftlichen Urteil verzichtet. Mit Kostenrechnung vom 16. August 2005 hat der Kostenbeamte eine Gebühr nach Nr. 1310 KV-GKG aus dem Gesamtstreitwert für die Ehesache und den Versorgungsausgleich angesetzt und diese nach Nr. 1311 des Kostenverzeichnisses zum GKG ermäßigt. Zudem hat er für die Folgesache elterliche Sorge eine Gebühr nach Nr. 1310 KV-GKG berechnet. Der dagegen vom Vertreter der Landeskasse erhobenen Erinnerung hat der Kostenbeamte nicht abgeholfen und die Sache dem Familiengericht zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die Erinnerung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Landeskasse. Ihrer Ansicht nach sind die Voraussetzungen von Nr. 1311 des Kostenverzeichnisses zum GKG nicht gegeben, weil es an einer Erledigung des gesamten Verfahrens im Sinne des § 313 a Abs. 2 ZPO fehle.

2. Die gegen die Aufhebung des Kostenansatzes gerichtete Beschwerde der Landeskasse, über die der Senat gemäß § 568 Satz 2 ZPO in seiner nach dem Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehenen Besetzung entscheidet, ist gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 GKG statthaft und auch verfahrensrechtlich bedenkenfrei, da das Familiengericht die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat, § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG. In der Sache führt das Rechtsmittel zum Erfolg. Nach Auffassung des Senats sind bei der hier zu beurteilenden Sachlage die Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung nach Nr. 1311 Kostenverzeichnis zum GKG nicht gegeben. Entgegen der Auffassung des Familiengerichts scheidet eine analoge Anwendung der Nr. 1311 Nr. 2 KV-GKG aus. Auch das Argument, daß sich anderenfalls das Scheidungsverfahren gegenüber der früheren Rechtslage, wie sie vor dem Inkrafttreten des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (KostRMoG) bestand, erheblich verteuern würde, greift nicht. Es kann hier dahinstehen, ob bereits die bisherige kostenrechtliche Praxis, wonach die Urteilsgebühr um 0,5 ermäßigt wurde, wenn in der Ehesache auf Tatbestand und Entscheidungsgründe verzichtet wurde und in einer Folgesache eine begründete Entscheidung zu treffen war, vom GKG a.F. gedeckt war. Das Argument der Verteuerung des Scheidungsverfahrens gegenüber der alten Rechtslage trifft schon deshalb nicht, weil es allein darum geht, unter welchen Voraussetzungen den Parteien die Rechtswohltat der Gebührenermäßigung zukommt. Zudem ist die nunmehr eingeräumte Gebührenermäßigung weitaus höher (Differenz von 1,5 Gebühren), zum anderen ist die Rechtslage allein auf Grund der nunmehr geltenden Neufassung des GKG zu beurteilen, die mit den Nr. 1310 und 1311 des Kostenverzeichnisses besondere Gebührentatbestände für Ehesachen, Lebenspartnerschaftssachen und Folgesachen enthält. Entscheidend kommt weiter hinzu, daß es sich bei der in Nr. 1311 Nr. 2 KV-GKG bestimmten Gebührenermäßigung um einen Ausnahmetatbestand handelt, der damit grundsätzlich nicht analogiefähig ist.

Ob eine Gebührenermäßigung nach Nr. 1311 Nr. 2 KV-GKG auch dann eintritt, wenn in einer Folgesache - wie hier hinsichtlich der Entscheidung über die elterliche Sorge und der noch ausstehenden Regelung des Versorgungsausgleichs - die Entscheidung zu begründen ist, weil die Parteien anders als zum Ausspruch der Ehescheidung auf eine Begründung nicht wirksam verzichten können (§ 313 a Abs. 4 Nr. 1 ZPO), ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Wie das OLG Zweibrücken im Beschluß vom 17. Oktober 2005 - 6 WF 178/05 (zitiert nach juris) ausgeführt hat, setzt der Wortlaut des Ermäßigungstatbestandes entweder eine Gesamterledigung oder die Beendigung einer Folgesache voraus. Eine entsprechende Anwendung des Ermäßigungstatbestands auch für den Fall, daß zwar hinsichtlich des Scheidungsausspruchs zulässigerweise auf eine Begründung verzichtet wird, aber die Entscheidung in einer Folgesache zu begründen ist, scheide danach aus. Der erkennende Senat tritt dieser Ansicht bei. Wie sich der Begründung zu den Nrn. 1310 und 1311 des Kostenverzeichnisses (Bundestagsdrucksache 15/1971 Seite 161 f) entnehmen läßt, hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang gesehen, daß eine vollständige Übertragung des Pauschalgebührensystems auf Verbundsachen nicht möglich ist. Dabei hat er allerdings nur darauf abgestellt, daß im Scheidungsverfahren keine gütliche Einigung möglich ist, weil das Scheidungsverlangen nicht der Disposition der Parteien unterliegt. Entsprechendes gilt aber für den hier zu beurteilenden Sachverhalt, daß das Vorliegen der Voraussetzungen des Ermäßigungstatbestands an der getroffenen Sorgerechtsentscheidung scheitert. Auch in diesem Fall ist der gebührenrechtliche Anreiz auf die (weiteren) Folgesachen beschränkt, um - wie in der Begründung des Gesetzgebers ausgeführt - ein Mindestmaß an Gebührengerechtigkeit und Verfahrenssteuerung zu gewährleisten. Angesichts der Gesetzesmaterialien besteht für die Annahme kein Raum, bei der Regelung zum Ermäßigungstatbestand des Nr. 1311 Nr. 2 KV-GKG handele es sich in Bezug auf Scheidungsurteile mit gleichzeitig von Amts wegen zu begründender Entscheidung zu einer Folgesache um ein bloßes Redaktionsversehen (so OLG Nürnberg, Beschluß vom 27. Oktober 2005; OLGR Nürnberg, 2006, 126, 127; Keske in: Handbuch des Fachanwaltes/Familienrecht, 5. Aufl., Kap. 17 RdNr. 169). Die von der Gegenansicht angeführten rechtspolitischen Erwägungen, die Kosten für das Scheidungsverfahren möglichst gering zu halten, rechtfertigen wie bereits vorstehend ausgeführt nicht eine Erweiterung des vom Gesetzgeber zumindest dem Wortlaut nach eindeutig gefaßten Ermäßigungstatbestandes. Im Übrigen sind die Verfahren in Ehesachen bereits allgemein dadurch gebührenrechtlich privilegiert, daß der Gebührensatz gegenüber den sonstigen bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten auf 2,0 ermäßigt ist. Sofern jedoch mit der die Scheidung aussprechenden Entscheidung eine Regelung der elterlichen Sorge zu treffen ist, entfällt durch die insoweit erforderliche Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe, also durch den damit einhergehenden Arbeits- und Zeitaufwand, die Grundlage für eine (weitere) Ermäßigung auf 0,5 Gebühren. Ein weiterer Arbeits- und Zeitaufwand entsteht mit dem noch durchzuführenden Versorgungsausgleichs. Auch wenn das Amtsgericht über die Scheidung gemäß § 628 Nr. 1 ZPO vorweg entscheiden durfte, führt diese Abtrennung nicht zu einer echten Verfahrenstrennung (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 628 RdNr. 18), so daß entgegen dem Urteil des Amtsgerichts vom 23. Juni 2005 auch noch keine Kostengrundentscheidung hätte ergehen dürfen.

Das von der Gegenansicht angeführte Argument, daß nach § 313 a Abs. 4 Ziffer 1 ZPO die Grundregel nach § 313 a Abs. 2 ZPO, das heißt Freistellung vom Begründungszwang bei Scheidungsfolgen Anwendung findet, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Die Freistellung vom Begründungszwang besagt allein nichts darüber, unter welchen Voraussetzungen die Gerichtsgebühr zu ermäßigen ist. Dies regelt Nr. 1311 Nr. 2 KV-GKG abschließend. Aus dem gleichen Grund verfängt auch nicht der Hinweis des Kostenbeamten auf § 36 Abs. 3 GKG, wonach für den Fall, daß für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, die Gebühren für die Teile gesondert zu berechnen sind. Auch insoweit ist Nr. 1311 Nr. 2 KV-GKG eine abschließende Regelung dazu, unter welchen Voraussetzungen die Gebühr zu ermäßigen ist.

Schließlich ist die Kostenrechnung selbst unter Zugrundelegung der Ansicht des Kostenbeamten und des Kostenrichters des Amtsgerichts Tempelhof/Kreuzberg unrichtig. Eine Ermäßigung der festzusetzenden Gebühr käme auch danach allenfalls für den Scheidungsausspruch, nicht aber für die Folgesache Versorgungsausgleich in Betracht, über die zudem noch zu entscheiden ist.

3. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 66 Abs. 8 GKG.

Ende der Entscheidung

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